Von St. Martin sind es knappe 700 Seemeilen zu den Bahamas. In der zweiten Nacht auf See, verlässt uns der Wind und wir motoren ein Stück. Nach absolvierter Wache, kuschle ich mich in die Koje, höre aber, dass Robert immer wieder den Zugang zum Motorraum öffnet. Kein gutes Zeichen, da ist was im Busch... Gnädig lässt mich Robert noch bis zum Morgengrauen schlafen, bevor er mir eröffnet, dass unsere Seewasserpumpe, die den äußeren Kühlkreis des Motors versorgt, dermaßen rinnt, dass er mehrmals die Bilgenpumpe starten musste. Sollte die Pumpe komplett ausfallen, haben wir keinen Motor - keine gute Idee für die engen Einfahrten in die Atolle der Bahamas. Also Kursänderung! Nach San Juan auf Puerto Rico, sind es 120 Seemeilen. Dort wird es hoffentlich Ersatz geben. Die Bahamas müssen noch ein bisserl auf uns warten - hoffentlich nicht zu lange.
Zum Glück haben wir US-Visa und können in San Juan problemlos einklarieren. Wir hatten nicht vor Puerto Rico anzulaufen, haben keine Informationen zum Land an Bord und auch kein Internet, das uns aushelfen könnte. Also, wie schon so oft, begeben wir uns zuerst einmal auf die Suche nach WiFi. Es ist aber Sonntag, alles ist zu und was offen hat, bietet kein WiFi an. Schließlich landen wir in der Lobby des Hyatt Park in der Nähe der Marina. Hier ist es klimatisiert, es gibt gezapftes Corona und superschnelles Internet. Was will man mehr? Ich finde es immer wieder erstaunlich, ja fast erschreckend, wie abhängig wir mittlerweile von diesem Medium sind. Es ist oft das Erste was wir nach Ankunft in einem neuen Land machen - einen Internetzugang suchen.... Finden wir beide nicht gut, aber ohne geht's auch nicht. Diesmal wollen wir ganz modern sein und eine E-Sim nutzen, nur um festzustellen, dass beide unserer Handys unmodern und nicht "e-sim-kompatibel" sind. Also wieder die alte Methode: Shop finden, Sim-Card (kostet extra!) und Guthaben kaufen - aber das geht alles erst morgen.
Wieder einmal diskutieren wir ausgiebig, ob wir uns nicht doch Starlink an Bord holen sollen...

Zurück an Bord, baut Robert die kaputte Pumpe aus. Komisches Gefühl vor Anker zu liegen und keinen Motor zu haben. Sollte der Anker slippen, krachen wir entweder in die Boote der Coast Guard oder in ein Kreuzfahrtschiff... Gleich vorweg, beides passiert nicht.
Mit der Pumpe im Rucksack pilgern wir zum örtlichen Volvo Penta Händler. Aber der kann uns gar nicht helfen. Unsere Pumpe hat er nicht lagernd, sie könnte aber VIELLEICHT in drei Monaten(!) hier sein. Als wir auch noch den Preis hören, sind wir fast froh, dass wir hier nichts bekommen. Etwas ratlos verlassen wir das Geschäft. Als wir fast schon wieder im bestellten Uber sitzen, kommt uns der junge Volvo-Mann hinterher und nennt uns eine Adresse, wo wir vielleicht einen Nachbau erhalten können. Und wirklich, können die Burschen in diesem Laden eine Nachbaupumpe bestellen. Mit Express-LIeferung ist sie VIELLEICHT in drei Tagen hier. Super! Wir bestellen das Ding, zahlen 50% voraus und hoffen auf das Beste.

Wer mich kennt, weiß, dass ich mich auf Facebook in allen möglichen Seglerforen herumtreibe. Für fast jedes Revier in dem wir bisher unterwegs waren, gibt es Facebookgruppen, in denen sehr hilfreiche Informationen zu allen möglichen Fragen zu bekommen sind. So gibt es auch eine FB-Gruppe "Puerto Rico Cruisers".
Natürlich frage ich auch hier, wo wir unsere Pumpe dringend reparieren lassen könnten und erhalte prompt den ultimativen Tipp: EWCO! Nichts wie hin!
Luis, der Boss - der auch meine Frage in der FB-Gruppe beantwortet hat, ruft seinen "special guy" aus der Werkstatt - ein gepflegter Senior in sauberem Overall und in den besten Jahren, sieht sich unsere Pumpe an, dreht und wendet sie, sagt dem Burschen am Computer auswendig Teilenummern an, beratschlagt sich mit seinem Boss Luis und sagt dann: "I can fix this, have a seat and wait." Nach einer Stunde Wartezeit hat er die Pumpe ohne ein einziges Originalteil repariert, neu lackiert und präsentiert sie uns stolz mit den Worten "Do you like my work?" Wir sind sprachlos und würden den Herrn am liebsten umarmen. Luis steht hinter ihm und grinst von einem Ohr zum anderen. Auch andere Kunden im Laden grinsen, denken sich anscheinend, "da staunen die Gringos, was hier alles geht!".
Gerne bezahlen wir die Rechnung von US$ 161,50. Robert kann es kaum erwarten die Pumpe einzubauen und wir "ubern" zurück auf die STRAVANZA. Der Einbau gelingt super, der Motor läuft wieder aber es gibt ein neues Problem: die Aufhängung einer Lichtmaschine ist gebrochen. Das bringt uns aber nicht aus der Ruhe, wir wissen ja jetzt wo wir so etwas reparieren lassen können! Als wir am nächsten Tag gleich in der Früh, wieder bei Luis im Laden stehen, schaut uns der entsetzt an: "The pump is not working?", fragt er. Nein, nein, wir haben ein anderes Problem und präsentieren die Aufhängung. Wieder wird unser Senior gerufen, aber diesmal dreht und wendet er das kaputte Teil sehr lange hin und her, spricht dann aber doch die erlösenden Worte "I have an idea how to fix this", aber nicht gleich. Kein Problem, wir kommen am Abend wieder!

Die Wartezeit an Land vertreiben wir uns mit einem Spaziergang durch das alte San Juan. Eine hübsche kleine Stadt mit alter Festung. Auf dem Hauptplatz blickt Christoph Columbus ganz in Weiß, von einer hohen Stele in die Ferne. Der Große Entdecker, wie er gerne genannt wird, war auf seiner zweiten Reise hier.
Nach unserer Tour durch die Karibik hat sich meine Sicht auf diesen "Entdecker" sehr gewandelt. Die Entdeckung der Neuen Welt brachte ihren Ureinwohnern Tod und Verderben und leitete eines der größten Verbrechen der Menschheit ein - den Sklavenhandel. Columbus sollte vielmehr "Eroberer" oder sogar "Ausbeuter" genannt werden, denn das war, was er getan hat - er hat Land erobert und ausgebeutet, für Spanien und seine eigene Tasche. Meilensteine der Geschichte, die wir heute noch spüren.
Im Hafen von San Juan liegen vier Kreuzfahrtschiffe und die Altstadt ist dementsprechend voll. Die alten Gassen sind dennoch anheimelnd und der Blick von der Festung auf die Stadt und den Ozean, sind traumhaft schön. Der Abstand von der STRAVANZA mit ihren Baustellen, tut uns gut. Wir genießen es in vollen Zügen, uns einfach nur treiben zu lassen und Touristenprogramm zu absolvieren.

Puerto Rico wirkt auf uns ein bisserl wie "nicht Fisch und nicht Fleisch". Es wird nur Spanisch gesprochen, aber fast jeder versteht und spricht Englisch. Wir sind in den USA, dann aber auch wieder nicht, denn Puerto Rico ist kein offizieller US-Bundesstaat, sondern ein "Nichtinkorporiertes Gebiet" - seit 1898 von den USA besetzt. Coast Guard und Immigration Officers sind US-Beamte und es gilt der US-Dollar. Die Bevölkerung ist je zur Hälfte für und gegen eine Unabhängigkeit Puerto Ricos. Alle gängigen Marken der USA sind allgegenwärtig auf der Insel. Der puertoricanische Lifestyle scheint eine attraktive Mischung aus karibischen, hispanischen und amerikanischen Elementen zu sein. Leider erhaschen wir mit unserem kurzen Aufenthalt nur einen flüchtigen Blick und hoffen, wir kommen eines Tages wieder und können diese Insel intensiver erkunden und genießen.

Die bestellte, (jetzt eigentlich überflüssige, aber schon bezahlte) Nachbaupumpe, trifft zwei Tage früher als geplant ein, auch die Aufhängung der Lichtmaschine ist pünktlich fertig und kostet wieder exakt US$ 161,50. Wir holen beides ab, kaufen noch einen Haufen Obst und Gemüse ein, bestellen unseren letzten Uber (Uber hat mit unserem Aufenthalt hier, ein kleines Vermögen verdient...) und lichten den Anker.
Bahamas, wir kommen 2.0!
Stay tuned!