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Immer noch Bermuda

Das Wetter macht uns für die Überfahrt nach Kanada einen Strich durch die Rechnung und beschert uns - entgegen unserer Planung, ein paar Tage mehr in Bermuda. Für den Schlag nach Halifax braucht es gute Bedingungen, denn wir müssen  den Golfstrom überqueren. Ungefähr in der Mitte der Passage liegt er uns quasi im Weg. Noch dazu verläuft er auf dieser Höhe nicht geradlinig, sondern mäandert wie ein Fluss von West nach Ost mit 3 - 4 Knoten Strömung. 

 

Auf der Karte schön anzuschauen aber uns Golfstrom-Rookies flößt dieser Fluss im Ozean einen Höllenrespekt ein.

Wenn wir da ohne wilde Schaukelei und etwaige Blessuren (gleich Holz klopfen!) durch wollen, müssen Wind und Strömung zusammen passen. Und genau dieses Timing ergibt sich derzeit einfach nicht. Also, heißt es "Warten". Robert hängt stundenlang über Wetter- und Strömungskarten.  Für diesen Schlag haben wir uns sogar Unterstützung vom hiesigen Wetterguru Chris Parker, geholt. Aber auch Chris kann kein geeignetes Wetterfenster daher zaubern. Kaffee und die berühmten Stravanza-Schoko-Muffins helfen ein bisserl beim Studium der Wind- und Strömungskarten. Und als kleine Ablenkung schauen wir auch in Erik Orsennas liebevolle Homage an den Golfstrom.

Kurzes Innehalten. Wir sind jetzt seit über einem Jahr unterwegs und viele Seemeilen gesegelt, durften Wunderbares erleben und erfahren und bemerken, dass uns diese ungeplante  Pause eigentlich gut tut. Es gibt Zeit für herrlich faule Tage, die wir lesend im Cockpit verbringen können, sortieren Fotos, schreiben Mails an unsere Lieben und diesen Blog, erledigen ein paar kleinere Wartungsarbeiten und unternehmen schöne Spaziergänge. Ein Gefühl von Vorfreude und langsamer Einstimmung auf ein neues Kapitel unserer Segelreise macht sich breit. Als ob wir in unseren Köpfen Platz schaffen würden für Neues, Kommendes.

Außerdem - es gibt immer was zu tun! 

Nach anfänglichem Zetern, nehmen wir die Pause also gelassen. Bermuda ist ja auch ein wunderbarer Ort auf ein Wetterfenster zu warten - von den hohen Preisen für Lebensmittel, Busfahrten und die liebgewonnenen Sundowner einmal abgesehen!

 

Wir nehmen uns Zeit für ausgiebiges Sightseeing:

Mittwochs ist Harbour Night und Hamiltons Flaniermeile Front Street, verwandelt sich in eine "wurlige" Fußgängerzone mit Street Food- "Standln", Hüpfburgen für die Kleinsten und Kunsthandwerk.

Hamiltons Front Street in typischer Zuckerbäcker-Architektur
Hamiltons Front Street in typischer Zuckerbäcker-Architektur

Der Höhepunkt der Harbour Night ist die Aufführung des ikonischen Gombey. Das ist ein traditioneller Tanz, der afrikanische, karibische, britische Kultur und indigene Elemente widerspiegelt. Die Tänzer bewegen sich in einer uralten, über Generationen überlieferten Choreographie zu mitreisenden Trommelrhythmen. Die ersten Gombey-Tänze wurden bereits in 1800 erwähnt. Ein großartiges Erlebnis. 

An den historischen Hafenanlagen des Royal Naval Dockyard aus 1809, ganz im Westen der Inselgruppe, machen heute nur mehr Kreuzfahrtschiffe fest. Die alten Bauten sind schön restauriert und beherbergen was der Cruise Ship-Reisende so braucht: Souvenirläden, Luxusboutiquen, Autovermietungen, Restaurants, Pubs und einen Beach Club gleich nebenan. Wir schlendern natürlich auch durch die angenehm klimatisierten Hallen.

Bermuda ist ein kleiner Archipel, hatte aber von seiner Lage her, immer schon große strategische Bedeutung für die Briten und somit viel Geschichte zu bieten.

So richtig interessant wurde es auf diesem britischen Stützpunkt, als die USA nach Unabhängigkeit strebten und Bermuda eine wichtige, etwas zweischneidige Rolle in Amerikas Unabhängigkeitskrieg spielte. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg war Bermuda ein bedeutender Hafen für Nachschub. Hier wurden Kriegsschiffe und U-Boote der Alliierten repariert.  Spione aller Seiten tummelten sich auf der Insel. Bis 1995 unterhielt die Nato einen Stützpunkt. Es war also immer was los auf diesem kleinen Stückchen Land mitten im Ozean. Heute geht es nur mehr um "friedliche" Angelegenheiten. Es dreht sich alles um urlaubende Besucher, die in großer Zahl auf die Inseln strömen.

Auch Bermuda war in das grausige Geschäft des Sklavenhandels involviert.

Viele Bermuder sind Nachfahren einstiger versklavter Menschen. Zum Unterschied zu vielen anderen involvierten Staaten, wird dieses schreckliche Kapitel hier sehr ausführlich und schonungslos in mehreren Museen präsentiert. 

 

Eines davon ist das Heritage  Museum in St. George's. Es zeigt die Geschichte der Versklavung auf den Bermudas auf und würdigt vor allem  soziale, kulturelle und politische Errungenschaften  von ehemaligen Sklaven und deren Nachkommen von der Zeit vor der Abschaffung der Sklaverei bis in die Gegenwart.

Sehr interessant finden wir auch die Sache mit den strahlend weißen Dächern! Alle Häuser haben so ein strahlend weißes Dach in auffälliger Treppchenform. Wasser ist knapp auf Bermuda und mit diesen Treppchen-Dächern wird Regenwasser aufgefangen -  ein ausgeklügeltes System von Regenrinnen, das das Wasser in einen Tank leitet, der sich im Fundament des Hauses befindet. Der überaus wichtige Regen ergießt sich auch recht ergiebig und regelmäßig. 

Also, fad ist uns hier wirklich nicht! Die Tage fliegen nur so dahin. Irgendwann wird das ersehnte Wetterfenster kommen, wir können Anker lichten und unsere Nasen nach Norden richten. Bis dahin genießen wir was diese hübschen Inseln zu bieten haben. 

Stay tuned!