Der Wind dreht auf West und mit dem ersten Tageslicht verlassen wir den Ankerplatz von Maiden Arm. Wir segeln im Lee von Neufundlands Northern Penninsula nach Süden. Es bläst ganz schön. "Halber Wind" kann Stravanza am besten und wir machen ganz schön Strecke. Am Horizont blinkt wieder ein Eisberg aber der Umweg ihm näher zu kommen, ist uns zu weit. Wir wollen heute noch das 70 Seemeilen entfernte Fleur de Lys erreichen bevor der Wind morgen wieder auf Süd "Marke Starkwind", dreht.
Spät abends legen wir am Public Wharf von Fleur de Lys an und fallen todmüde in die Kojen. Am nächsten Tag herrscht wieder einmal dicker Nebel, begleitet von Nieselregen und wir sehen den Ort kaum.
Nebel gehört hier zum Standardprogramm.
Wir haben uns schon fast an ihn gewöhnt und mögen mittlerweile die Stimmung, die er mit sich bringt.
Hafenmeisterin Kim kommt vorbei und heißt uns willkommen.

Ihr Büro ist da drüben in dem blauen Gebäude. Dort können wir die Hafengebühren von CAD 10,- (€ 7,-) begleichen und ins WIFI einsteigen. Außerdem hat sie gerade den Boiler angeheizt: Wir könnten auch duschen - wenn wir wollen, fügt sie noch schnell hinzu. Waschmaschine gibt es leider noch keine, ist für nächstes Jahr geplant! Anscheinend kommen Segler immer mit den gleichen Anliegen in ihren Hafen! ;-)
Im kleinen Hafen laden ein paar Fischer gerade ihren Fang aus. Es ist Samstag und damit Food-Fhishing-Tag - gefischt wird natürlich Cod! Ich frage, ob wir denn Kabeljau kaufen können, bekomme aber zur Antwort, zuerst muss der Fang komplett ausgeladen werden, wir sollen später wieder kommen. Frisch geduscht stehen wir wieder am Steg und schauen erwartungsvoll. Ohne viel Aufhebens drückt uns einer der Fischer einen schon für uns vorbereiteten Sack mit zwei wunderschönen Kabeljaus in die Hand. "Enjoy the fresh Cod!", meint er und grinst. Diese Menschen sind stolz auf ihren Kabeljau und freuen sich, dass wir uns so über den frischen Fisch freuen. Diese Herzlichkeit macht sprachlos und beschämt uns fast ein wenig.
Die Stege vor den Bootshütten haben geniale "Tischerln" zum Ausnehmen der Fische in bequemer Stehhöhe Niemand stößt sich daran, dass Robert einen dieser Tische benutzt um unseren Kabeljau auszunehmen.
Mittlerweile ist Kabeljau auch unser Lieblingsfisch und so frisch ist er eine Delikatesse!

Fleur de Lys hat einen "Club" - kein Pub, sondern eben einen Club. Das Lamberts Landing. Wir werden herzlich begrüßt mit den Worten: "Your are the guys from the sailing boat, aren't you?"
Es ist nicht viel los und Tanya - die "Wirtin" hat Zeit zu plaudern. Ob wir denn eh bis Samstag bleiben, denn da gibt es Live Music und Tanz im Club! Ihr habt Cod bekommen? Sehr fein! Den müsst ihr in Mehl wälzen und dann langsam in Butter rausbraten. Macht ihr das eh so? Nein, aber das probieren wir gleich heute! Dann mischt sich Carlos, der neben uns an der Bar sitzt ein: Mögt ihr geräucherte Makrele? Wir nicken. Er grinst, steht auf, sagt "Wait here!" und kommt mit einem Sackerl zurück. "I smoked some yesterday! Enjoy!"
Dann wieder Tanya: "Have you ever tried seal stew? No?" Zack, steht ein Glas eingekochtes Seehund-Gulasch auf dem Tresen. "You will love it. It is homemade and ready to use, just heat it up!"
Was bitte sagt man in solchen Situationen? Wir sind jedenfalls sprachlos, erschlagen von so viel Gastfreundschaft. Danke, danke, danke ist alles was uns einfällt.
Wie uns das Seehundgulasch mundet, wird wohl Gegenstand eines künftigen Blogeintrags sein. Derweil lagert es noch im Eiskasten....
Die geräucherte Makrele hingegen, ist schon verputzt. Es war eh von vorneherein klar, dass sie unglaublich gut schmecken wird. Ein absoluter Leckerbissen. Einfach großartig, was die Leute hier alles selber machen und, dass das Wissen und die Tradition des Konservierens und Haltbarmachens selbst in Zeiten von Tiefkühlern und Supermärkten nicht verloren gegangen ist.

Zurück am Steg haben wir Nachbarn bekommen. Gail und Brian mit Hundedame Piper auf ihrem 60 Fuß Motorboot "Seaclusion" aus St. John's. Die beiden laden uns auf einen Sundowner zu ihnen an Bord ein. Wir sind uns auf Anhieb überaus sympathisch und es wird ein sehr langer Abend. Wir verabreden uns für den nächsten Abend zum Abendessen bei uns an Bord.
Dem Regen-Nebeltag folgt strahlender Sonnenschein und wir wandern zum Spotted Point. Eine schöne Wanderung zu einem alten Walausguck. Auf dem Weg kommen wir an einem Ort vorbei an dem die indigenen Tunit schon vor Jahrtausenden Speckstein abgebaut haben, wandern durch mannshohes Fireweed und durch sumpfartiges Gelände, wo wir endlich einige Pitcher Plants finden bevor sie Ende Juli komplett verblüht sind.
Die Pitcher Plant ist eine fleischfressende Schlauchpflanze und die berühmte Nationalblume Neufundlands!

Unser Picknick genießen wir an einem Platz mit wunderbarem Ausblick auf einen See. Als Nachtisch pflücken wir uns ein paar Beeren entlang des Weges. Paradiesisch!
In einer Pfütze entdecke ich eine verdächtige, frisch anmutende Spur... Sieht nach einer Bärenspur aus.... Ab diesem Zeitpunkt plaudern wir angeregt und laut über unsere Erlebnisse in Fleur de Lys. Sicher ist sicher! Zurück am Steg, meint Brian, es könnte durchaus ein Bär sein, aber ein Kleiner.... Na, mir würde schon die Begegnung mit einem Kleinen reichen... Nein, danke, muss nicht sein!

Apropos Bären! Kim, die Hafenmeisterin erzählt uns, dass jedes Jahr Eisbären auf Eisbergen "illegal" in Neufundland einwandern. Dieses Frühjahr waren es in Fleur de Lys sogar zwei! Sie werden aus Hubschraubern mit starken Betäubungsmitteln außer Gefecht gesetzt und in einem Netz zurück in die Wildnis des nördlichen Labrador geflogen. Es bleibt zu hoffen, dass alle erwischt werden! Wir fragen uns, ab welchem Zeitpunkt beschließt ein Eisbär auf dem Eisberg sitzen zu bleiben? Verschlafen die den Absprung oder wollen sie vielleicht sogar nach Süden?
Brian und Gail kommen zum Abendessen auf die Stravanza. Der "Cod on Butter" gelingt hervorragend. Gail bringt zum Dessert einen himmlischen Schokokuchen aus ihrem Tiefkühler mit. Gut gestärkt machen wir uns auf den Weg zum "Saturday Night Event in Fleur de Lys" - Tanz und Musik im Club. Die Stimmung ist prächtig. Wir mischen uns unters tanzende Volk, grölen die Refrains uns unbekannter Songs mit und schwingen das Tanzbein. Tanya kommt uns umarmen, Carlos grüßt herzlich, der Fischer, der uns den Cod geschenkt hat, gibt Robert ein "High Five", etliche grinsen uns an und heben den Daumen.... Wir sind hier schon bekannt wie der berühmte bunte Hund. Herrlich.
Selbst Gail und Brian als einheimische Newfies - allerdings aus der Hauptstadt St. John's, sind überwältigt und berührt von der herzlichen Art der Menschen in Fleur de Lys.
Am nächsten Tag ist der Wind günstig für einen Schlag nach Ost - wir müssen weiter. Schweren Herzens nehmen wir Abschied von Fleur de Lys und Gail und Brian.
Als unsere Leinen schon fast los sind, kommt noch Neil den Steg entlang gerannt. Er bringt uns zum Abschied ein Glas selbst eingekochtes Moosestew (Elchgulasch). Sprachlos und gerührt steuern wir aus dem Hafen. Wunderhübsches, charmantes Fleur de Lys - ein Highlight unserer Runde um Neufundland!